Donnerstag, 22. September 2011

Die Papst-Posse

Deutschland, der Gottesstaat?

Ja Servus,

was soll eigentlich dieses Theater um die geplante Rede des Papstes im Bundestag?

Prof. Josef Ratzinger, Benedikt XVI
Fotomontage // Bildquelle: http://katalyma.files.wordpress.com/

Abgeordnete der SPD, der Grünen und der Linken wollen die Rede sogar boykottieren, und das Plenum verlassen. Der SPD-Abgeordnete Rolf Schwanitz behauptet in einem Brief an seine Fraktionskollegen, der Papst würde den Bundestag missbrauchen, und ruft zum Boykott auf. Die Rede des Oberhauptes einer religiösen Gemeinschaft vor dem Bundestag sei mit der Neutralität des Staates unvereinbar.

Wenngleich zB die Fraktions- und Parteiführung der Linken in Form von Gesine Lötzsch betont, dass keinerlei Protestaktionen stattfinden sollen - und sie selbst sich selbstverständlich die Rede anhören werde. Dies sei "...ein Gebot der Höflichkeit".

Und schon geht das Parteiengezänk los: sogar die ehemalige Ministerin Gerda Hasselfeldt, jetzt CSU-Landesgruppenchefin in Berlin, zetert: „...Die Linke beweist einmal mehr, dass ihr Mittel der Straßenkampf ist und nicht die besonnene Auseinandersetzung mit Argumenten...“. Dass Frau Lötzsch, von der wir sonst nicht sooo viel halten, in diesem Fall gerade das Gegenteil vorlebt, scheint bei diesem Ausfall keine Rolle zu spielen.

Sogar eine Facebook-Gruppe ist gegründet worden: "Keine Rede vom Papst im Bundestag" hat derzeit 2.820 Unterstützer. Und selbst der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider kritisiert den Auftritt des Papstes scharf. 

Meine Güte: was soll das Ganze eigentlich? Ist das sooo wichtig?

Da wird die Trennung von Kirche und Staat für gefährdet gehalten, weil der Papst eine Rede vor dem Bundestag halten soll? Ähm...was für eine Trennung denn?

- Da zahlt die Bundesrepublik Deutschland seit Jahrzehnten als Rechtsnachfolgerin der diversen Deutschen Reiche und Fürstentümer auf der Grundlage jahrhundertealter Konkordate (tw. von 1803!) als Entschädigung für Enteignungen (übrigens während die katholische Kirche bei den Missbrauchsfällen der letzten Jahre den Opfern empfiehlt, sich in Sachen "Entschädigung" primär an die Täter zu halten...erst DANN sei die "Institution" zuständig
- Da werden die Bischofs"gehälter" vom Staat finanziert, 
- da zieht der Staat für die Kirchen die Mitgliedsbeiträge ein, 
- da hängen in deutschen Gerichten und Schulen Kreuze, 
- und anders als die islamisch-geprägte Türkei haben wir einen klaren Gottesbezug in unserem 
  grundlegenden Gesetzeswerk. 

Und zu allem Überfluss gibt die damalige Familienministerin von der Leyen 2006 eine Pressekonferenz zum Auftakt des Erziehungsgipfels, und ist dabei flankiert von Kardinal Sterzinsky und Bischöfin Kässmann, von der wir sonst sehr viel halten. Was schrieb noch der Spiegel dazu?
"Die Artikel des Grundgesetzes fassen im Prinzip die Zehn Gebote zusammen", sagte sie [v. d. Leyen, d. Autor], und der Kardinal kam mit dem Nicken kaum nach. "Christliche Werte wie Verlässlichkeit, Hilfsbereitschaft, Respekt und Gerechtigkeit sind die Basis unserer Gesellschaft", schwärmte von der Leyen. Die Bischöfin lächelte selig.  
Die beiden Geistlichen konnten ihr Glück kaum fassen. Da saß eine veritable Ministerin, vereidigt auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, und erteilte der Nation Nachhilfestunden in christlicher Theologie. Eine "wertegebundene Erziehung" sei ihr großes Ziel, und wo diese Werte wurzelten, wurde auch schnell klar - im Humus der beiden Kirchen: "Das ist das Fundament." 
Es war ein französischer Journalist, der am Ende [sic!] der Veranstaltung verdutzt fragte: "Gibt es in Deutschland eigentlich noch die Trennung von Staat und Kirche?"

Sind wir nicht längst ein Gottesstaat? Wie also kann die Rede des Papstes vor dem Parlament die Trennung von Staat und Kirche gefährden?

Edit, 22.09., 15:45: die taz ganz steil mit einer wunderbaren Glosse: Yoda im Bundestag!
::::::::::::::::::::

Und nun mal Schluss mit der Polemik: natürlich sind wir KEIN Gottesstaat, und wir haben trotz allem eine deutliche Trennung. Aber wie kann das durch eine Papstrede im Parlament gefährdet sein? Lasst ihn doch sprechen! Und hört ihm zu! Er ist doch immerhin das Oberhaupt des Staates "Vatikan". 

Und: es nimmt ihn doch spätestens seit seiner leider total missverstandenen "Regensburger Versöhnungsrede", seiner ebenso missverstandenen Fürbitte für die Einsicht der Juden, sie mögen doch endlich Jesus Christus als ihren Erlöser erkennen, und seiner  "Abschaffung der Vorhölle" keiner mehr so richtig ernst.

"Haben Sie schon gehört? Der Papst hat die Vorhölle abgeschafft ...
...ja ... wirklich ...
Soll ich's nochmal sagen? Er hat die ... Vorhölle...abgeschafft ...
... in unseren geschlossenen Anstalten sitzen Leute für weniger."
- Hagen Rether
So long

Der Falke

Donnerstag, 15. September 2011

Pflichtprogramm

Ja Servus,

wir haben es alle live gesehen. War nicht leicht, weil immer auf Monate ausverkauft.

Für alle, die es noch nicht gesehen haben, hier unsere Blindempfehlung:


Bildquelle: zdf.de, Mediathek

So long

Der Falke





Mittwoch, 14. September 2011

Rösler ./. Merkel: viel Lärm um nichts.

Ja Servus,

es ging ja hoch her die letzten beiden Tage in Deutschlands Regierung.

Wirtschaftsminister Philipp Rösler nahm im Zusammenhang mit der europäischen Schuldenkrise als erstes Regierungsmitglied das Wort von der "Insolvenz" Griechenlands in den Mund. Und die Kanzlerin kann sich sowas ja nicht bieten lassen und hält dagegen. "Merkel kanzelt FDP-Chef Rösler ab" steht denn auch so in den Zeitungen, und kam auch gestern so den ganzen Tag in den Radionachrichten. Und dieser Zwist wird zur Regierungskrise hochgejubelt.

Aber: ist Merkels Position tatsächlich der von Rösler so entgegengesetzt? Schauen wir uns mal die Sätze der beiden, in denen es um die Kernaussage, geht im Wortlaut an.

Philipp Rösler: 
"...Dazu zählt notfalls auch eine geordnete Insolvenz Griechenlands, wenn die dafür notwendigen Instrumente zur Verfügung stehen." 

Angela Merkel: 
"...Deshalb ist das oberste Gebot, eine unkontrollierte Zahlungsunfähigkeit zu verhindern, weil das nicht nur Griechenland treffen würde, sondern die Gefahr, dass es alle trifft, zumindest noch etliche andere Länder, sehr groß ist."

Ich kann mir nicht helfen, aber: die beiden Aussagen sind doch gleich! 

Merkel sagt, dass eine "unkontrollierte Zahlungsunfähigkeit" verhindert werden muss. Umkehrschluss: eine "kontrollierte Zahlungsunfähigkeit" ist also möglich. Und Röslers "geordnete Insolvenz" ist doch das gleiche wie eine "kontrollierte Zahlungsunfähigkeit", oder etwa nicht?

Also: Merkel wird es nicht gepasst haben, dass Rösler den "Tabubrecher" machte. Daher ihr Satz: "...Und deshalb sollte jeder auch seine Worte sehr vorsichtig wägen. Was wir nicht brauchen können, ist Unruhe auf den Finanzmärkten...". Aber die Aussage, die sie danach traf...ist das Gleiche, was Rösler gesagt hat, nicht wahr?

Also: warum dieser Lärm? Die sind sich doch einig!

So long

Der Falke



Montag, 12. September 2011

"...und sie bewegt sich doch!"

Ja Servus,

kurzer Schnellschuss:

die Seite http://www.initiative1683.com/, die den kruden religiösen Hintergrund des allseits beliebten "Michael Mannheimer" erklärt (die Sache mit dem betrunkenen US-Wunderheiler), ist seit heute (12.09.2011, 03:19) nicht mehr erreichbar.

Und das, wo "Mannheimer" gerade auf seiner eigenen Homepage Weltnetzseite den 11. September 1683 feiert: die Befreiung Wiens von der Belagerung durch die Osmanen (bewusster Verzicht auf Verlinkung).

Na, das ist ja genau der richtige Anlass, eine Seite wie die dieser Initiative, die exakt diesen Sieg über die Osmanen feiert und in die Gegenwart transportieren will, abzuschalten. Über die Gründe wissen wir nichts.

Möglich wäre, dass

- ihnen irgendwer gesteckt hat, dass die unglaublich lächerliche Story über der Vision des wunderheilenden Alkoholikers von der "Verheiratung von Islam und Kommunismus" nun doch eher ungeeignet ist, die deutschen "Massen zu mobilisieren". Also wird die Seite erstmal überarbeitet
- Mannheimer will zum Islam konvertieren
- Mannheimer hats eingesehen, dass es Blödsinn ist, was er so alles verzapft, und geht erstmal ne Runde beichten
- die Jungens pleite sind (Mannheimer und Naseem Ben Iman betteln auf ihren Webseiten um Spenden, Mannheimer schreibt sogar explizit, dass seine Reserven aufgebraucht sind)

Wir halten Punkt 2 für den wahrscheinlichsten, knapp vor Punkt 4.



 Übrigens steht da was von "Kampf gegen das politische Establishment". Interessant. 

So long

Der Falke




Edit, 14.09.: die Seite ist wieder erreichbar. Der besoffene Wanderprediger mit den Visionen ist immer noch drin...

Der 11. September ... eine Einordnung (2)

Ja Servus,

wie angekündigt, hier nun der 2. Teil.

b) Der 11. September ... 1973 (!)

Was verbinden wir mit dem 11. September? Den Dienstag, an dem 3000 unschuldige Menschen starben. 

Der 11. September 1973 war auch ein Dienstag. An diesem Tag wurde Salvador Allende, "...der im Gegensatz zu Bush demokratisch gewählte Präsident Chiles..." (Volker Pispers), mit Hilfe der CIA aus dem Amt geputscht. Und auch damals starben 3000 Menschen. Welch grausame Analogie. Der Befehlsgeber für den Allende-Putsch, Henry Kissinger, erhielt den Friedensnobelpreis.


Salvador Allende

Ersetzt wurde Allende durch eine US-freundliche, faschistoide Militärdiktatur unter der Leitung von Augusto Pinochet. Dieser setzte während seiner Amtszeit, ganz im Sinne der US-Macht in seinem Rücken, wirtschaftsliberale Reformen durch. Politische Gegner wurden verhaftet, oft auch gefoltert (über 94%), man liess sie verschwinden, oder brachte sie einfach um. Heute spricht man von über 27.000 politisch motivierten Verhaftungen, über 2000 politischen Morden und weiteren 1000 Menschen, von denen  bis heute jede Spur fehlt.

Wenigstens "verdanken" wir diesem Putsch die Literatur einer Isabel Allende

Aber dieser 11. September 1973 ist nur ein weiteres Beispiel in einer langen Kette aussenpolitischer "Erfolge" der USA. Die Amerikaner hatten nie viel Glück bei der Auswahl ihrer regionalen Verbündeten zum Aufbau eines "Bollwerks gegen den Kommunismus". Am Ende erzeugte man sich immer einen neuen Erzfeind. 

Es sei erwähnt das Hochrüsten des Schahs von Persien als "Bollwerk gegen den Kommunismus", der durch seine Repressalien das Volk dazu brachte, sich um einen religiösen Führer zu scharen. Dann kam die schiitische Revolution, die den Schah vom Pfauenthron fegte, und den heute regierenden Präsidenten Ahmadinedschad mit all seinen reizvollen Facetten wie Judenfeindlichkeit und Holocaustleugnung erst möglich machte.

Als dann aus dem verbündeten Persien der Erzfeind Iran geworden war, wandte man sich an den benachbarten Diktator Saddam Hussein. Der war schon als grausam und skrupellos bekannt, also machte man ihm Mut, den neuen Erzfeind zu überfallen. Als der aber nach acht Jahren Krieg und einer Million Toten nicht weiterkam, liess man ihn fallen. Und so holte sich der ehemalige Verbündete Hussein in Kuwait das, was ihm im Iran versprochen worden war: Ölquellen. Und so wurde wieder ein "Bollwerk gegen das Böse" zum "Bösen selbst". 

Eine Militärintervention unter Führung der USA drängte den ehemaligen Verbündeten und aktuellen Erzfeind Hussein in den Irak zurück. Dass nach dem Sieg der "Coalition" in den arabischen Ländern Truppen stationiert blieben, ist für einen gläubigen Muslim noch heute ein Sakrileg. Wir können das ja nicht nachvollziehen: schliesslich sind weder in Jerusalem, noch in Rom oder in Wittenberg sunnitische Eliteeinheiten stationiert.

Und das böse Spiel "Bollwerk gegen das Böse" wird zum "Bösen selbst", wiederholte sich auch in Afghanistan: ein junger Araber namens Osama Bin Laden war in den 80er Jahren einer der Finanziers im Kampf der Mudjahidin gegen die Sowjets. Auch von den USA wurde er unterstützt...zumal seine weitverzweigte Familie beste Geschäftsverbindungen in die USA hatte. Besonders zur Familie Bush.

Man beschaffte ihm nicht nur die Waffen...man half ihm auch bei der Anwerbung arabischer Kämpfer, Söldner mithin. Es sollen über 100.000 gewesen sein. Damals war der Muslim noch der Freund der USA: das war die Geburtsstunde von Al-Quaida. Bin Laden hätte Al-Quaida auch ohne die Hilfe der USA hinbekommen...aber nicht so schnell und nicht so gut.
Und so kam es, dass sich die USA ihre jeweiligen Erzfeinde immer wieder selbst herangezüchtet haben. Ehemalige Verbündete, finanziert, hochgerüstet und in ideologische Stellvertreterkriege geschickt, die fallengelassen wurden, wenn sich der politische Wind drehte oder sich die Interessen verschoben. Dabei spielte es keine Rolle, ob sie als grausame Diktatoren oder religiöse Wirrköpfe bekannt waren. Der Zweck heiligte die Mittel.
Eine der vielen -meist hirnrissigen- Verschwörungstheorien um die Anschläge vom 11.09.2001 besagt, dass die amerikanische Regierung die Anschläge selbst begangen hat, um sie dem Islam unterzuschieben. Das ist natürlich Unsinn.
Die Attentäter waren von Al-Quaida gesteuert, und nicht aus Langley. Sie waren fanatische Muslime, und sie  wurden von Bin Laden finanziert und inspiriert.

Aber:
die Radikalisierung der Muslime, das starke Aufflammen des Islamismus und die hohe Zahl an Fanatikern, die bereit sind, für einen Anschlag mit tausenden unschuldigen Opfern ihr Leben aufzugeben, sind eine der vielen indirekten Folgen der amerikanischen Aussenpolitik der letzten Jahrzehnte.

Und damit sind auch die Anschläge vom 11.09.2001 eine Folge davon. Aber wir haben ja nun endlich einen neuen Feind, nachdem die Sowjets sich so schändlich aus dem Staub gemacht haben: den Islam.

"Wenn man morgens aufsteht und weiss, wer der Feind ist
...dann hat der Tag Struktur"

- Volker Pispers

So long

Der Falke




PS: Die USA und die meisten ihrer Verbündeten haben 1980 die Spiele in Moskau boykottiert, weil die Sowjets damals in Afghanistan waren. 2012 sind Olympische Spiele in London.


Die Inspiration für diesen Artikel: 
Volker Pispers' "Geschichte des Terrorismus"




Sonntag, 11. September 2011

Der 11. September...eine Einordnung (1)

" Terrorismus ist der Krieg der Armen gegen die Reichen
Krieg ist der Terrorismus der Reichen gegen die Armen."
 - Sir Peter Ustinov, 1921 - 2004

Ja Servus,

die Begriff "11. September" ist ja -verständlicherweise- seit 2001 mit den Anschlägen in New York und Washington verknüpft. Bei aller Trauer um die Opfer, bei allem Respekt vor den Hinterbliebenen und bei aller Verurteilung dieser Anschläge sehen wir uns aber dringend genötigt, angesichts der weltweiten Solidaritätsadressen an die USA eine historische Einordnung der Anschläge von 2001 vorzunehmen.

Das tun wir hier in Teil 1 durch Hinweis auf Opfer anderer -auch terroristischer- Aktivitäten, an die dieser Tage -und auch sonst- niemand denkt. Und zum anderen stellen wir die Frage, wie eigentlich eine derart menschenverachtende Haltung entstehen kann, die eine solche Tat erst möglich macht. Und dass die Ursachen dafür unter anderem in einem Ereignis zu finden sind, welches ebenfalls an einem 11.09. stattfand.

a) Andere Opfer
Wir erinnern uns noch an die Worte des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder: die USA könnten mit der "uneingeschränkten Solidarität" der Bundesrepublik Deutschland rechnen. Als Folge sahen wir in den Wochen und Monaten nach den Anschlägen von New York 2001 viele US-Flaggen an Häusern, auf Balkonen oder in den Fenstern hängen. Schon damals stellten wir uns eine Frage, die uns niemand beantwortet hat. Und die wir heute wiederholen:

Wer trauert eigentlich um die weltweit täglich (!!) anfallenden etwa 25.000 Hungertoten?

Schon der damalige Bundespräsident Rau wies im Jahre 2001 auf diese Frage in einer seiner Reden hin. Die Zahl der hungernden Menschen stieg von 822 Millionen im Jahre 1990 auf etwa eine Milliarde im Juni 2009. Das ist etwa jeder siebte Mensch.
Jedes Jahr sterben 8.8 Millionen Menschen an Unterernährung, das ist etwa ein Todesfall alle drei Sekunden (!). Und die überwiegende Zahl der Hungernden leidet an den Folgen chronischer Unterernährung...und nicht an den Folgen akuter Unterernährung als Folge von zB einer Dürre oder eines Krieges. Und, liebe Frau Schwarzer, bevor Sie im Wege der Themensuche Allianzen mit der BILD eingehen oder ins Horn der Islamophoben stossen, hier ist ein Thema für Sie: rund 70% der Betroffenen sind Frauen.

Aber wo, WO sind die Solidaritätsbekundungen Deutschlands und anderer Länder mit Staaten wie dem Kongo, Burundi, Eritrea, Sierra Leone, dem Tschad oder Äthiopien? Hat da irgendwer eine Flagge im Fenster? Oder ist es nicht so, dass wir nichtmal wissen, wie diese Flaggen aussehen?

Kleine Erinnerung: Flagge von Sierra Leone

Wir werfen Bomben auf afghanische Hochzeiten, weil da aus Tradition mit dem AK74 in die Luft geschossen wird, und weil vor zehn Jahren dort islamistische Attentäter ausgebildet wurden. Aber wer wirft Bomben auf den Vatikan, weil von dort noch immer verkündet wird, dass das Benutzen von Kondomen Sünde ist? Warum muss der Hunger die Bevölkerungszahl in Afrika regeln...warum tut das nicht ein Stück Latex? Ist der Hungertod katholisch?
Wer wirft Bomben auf die Zentrale des Shell-Konzerns in Den Haag, weil von dort aus ökonomischem Interesse (und in unserem Interesse) unterdrückerische Diktaturen unterstützt wurden? Und und und...die Liste mit "möglichen Bombenzielen" liesse sich endlos fortsetzen. Da dürfen wir uns nicht wundern, wenn das Bombenwerfen dann von Selbstmordattentätern übernommen wird. Und die nennen wir dann "Terroristen"?

Warum interessiert uns das alles nicht? Weil der Wohlstand des "zivilisierten Westens" in nicht unerheblichem Masse darauf beruht, dass woanders gehungert wird? Bekommen nur Staaten dieses "zivilisierten Westens" unsere "uneingeschränkte Solidarität"? Respektieren wir nur Mannschaften, die in unserer Liga spielen?

Sind 3000 Amerikaner mehr wert als 25.000 Afrikaner?


"...Herr, die haben Angst, dass ihre Kinder verhungern. 
 Wir haben Angst, dass unser Deo versagt, 
 und dass wir beim Telefonieren im Auto erwischt werden. 
 Herr, wie kriegen wir in deren Drittweltschädel rein 
 dass Du Europäer bist?" 

 - Hagen Rether


Teil 2 folgt:
b) Der 11. September ...1973 (!)

So long

Der Falke


Freitag, 9. September 2011

Wolfgang Wippermann: ein Historiker hebt ab


Ja Servus,

ein sehr aufschlussreiches Interview führt der SPD-Politiker und Rechtsextremismus-Experte Matthias Brodkorb mit dem Historiker Wolfgang Wippermann in der ZEIT. Provokante Überschrift: 

"Die Singularität von Auschwitz ist ein unhaltbares Dogma".

Da schauten wir natürlich hin. Es juckte uns beim Lesen zunehmend in den Federn, und wir fragten uns: ist es nicht immer wieder erstaunlich, dem Effekt, vor lauter Bäumen den Wald nicht zu sehen, zuzuschauen?


Wolfgang Wippermann

Auschwitz und damit der Holocaust an den europäischen Juden soll nicht singulär sein, weil die Nazis auch die Roma ausrotten wollten, und es woanders auch Genozide gab? Wie kann ein Historiker zu so einem Schluss kommen?

Was ist das für eine Begründung? Und: wo führt das hin? Schauen wir uns doch mal die Auswirkungen an:

Wenn der Holocaust nicht mehr singulär ist, dann können wir uns auch vom Begriff "Holocaust-Relativierung" verabschieden. Dann lassen wir zu, dass man die Fast-Ausrottung der US-Indianer, das Vorgehen gegen die Aborigines, den Genozid an den Armeniern oder Stalins Säuberungsaktionen "dagegenrechnen" kann.

Dann wird es uns auch irgendwann nicht mehr, wie heute noch, stören, dass die Rechten die Opfer des "Bombencaust" (Nazi-Deutsch für den Luftangriff auf Dresden) lauter beklagen als die Opfer des Holocaust. Oder fundamentale Christen in der Abtreibungsdebatte vom "Babycaust" sprechen. Oder die unsäglichen Autoren des islamophoben Hetzblogs "Politically Incorrect" den Islam mit dem Nazismus gleichsetzen (und damit den Nazismus VERHARMLOSEN), wie sie es gern mit Begriffen wie "Islamnazi" tun.

Und wenn die Relativierung und damit Verharmlosung dann Eingang in den Sprachgebrauch gefunden hat, dann können wir die Holocaustleugnung auch gleich als Straftatbestand aus dem StGB entfernen, und David Irvings Einreiseverbot aufheben.

Natürlich geht es hier nicht darum, mit geschichtlichen Dogmen (NPD-Deutsch: "Denkverbote") eine NS-Wiederbetätigung zu erschweren. Aber wir müssen sie auch nicht künstlich erleichtern.

Die NS-Verbrechen und damit auch Auschwitz sind deshalb singulär, weil es zuvor und -hoffentlich- danach nie einen Staat gab, zu dessen staatsbildenden Maximen es gehörte, Menschen in "lebenswert" und "lebensunwert" einzuteilen (oder zB Juden das Menschsein komplett abzusprechen), und die "Lebensunwerten" behördlich geregelt, staatlich organisiert und industriell (!) vollständig auszulöschen. 
Das hebt den Holocaust aus allen anderen Genoziden heraus, und macht ihn unvergleichbar. Jeder Vergleich ist eine Verharmlosung, auch das Anzweifeln der Singularität! Dass die Nazis auch Sinti, Roma, Schwule, geistig behinderte, politische Gegner und noch viele andere Gruppen als "lebensunwert" betrachteten und sie in das System zum industriellen Massenmord miteinbezogen, ändert daran absolut nichts. 
Natürlich: etwas über 10% der in Auschwitz ermordeten Menschen waren Nicht-Juden. Aber welcher Erbsenzähler trennt denn bitte bei dieser Dimension des industriellen Massenmords zwischen Juden, deren Ermordung "Holocaust" heisst, und Nicht-Juden, deren Ermordnung NICHT "Holocaust" heisst? Hat das auch nur irgendeinen Einfluss auf den Grad des Verbrechertums des Regimes? Ist nicht das eigentliche Verbrechen die Selektierung dessen, wer gewissenlos umgebracht werden darf, und wer nicht?

Was, wenn die Nazis den Krieg gewonnen hätten? Wen würden wir heute jagen, nachdem es im dann existierenden Deutschland keine Juden, Sinti, Roma, Schwule, Kommunisten, Sozialisten, Christen, Gewerkschafter, Russen, Polen, Freimaurer, Zeugen Jehovas, Schriftsteller und "entartete" Künstler mehr gäbe? Wir würden nicht bloggen, sondern im Ural Wache schieben...und Jagd machen auf Rothaarige, Radsportler, Fans von Lady Gaga und Linkshänder! Oder auf sonst wen!

Das sind praktische Aspekte, die Wippermann auf seiner abgehoben historisch-philosophischen und laborhaften Denkebene komplett unberücksichtigt lässt. Im Labor können wir zeigen, dass 1 und 1 gleich 3 ist, dass Wasser bergauf fliesst, und dass man einen Gegenstand von A nach B beamen kann. Aber Labor ist nicht Praxis!

Der Mann braucht Erdung. Wir empfehlen mal den Besuch in einer KZ-Gedenkstätte. Gleich welcher. Hauptsache raus aus dem Elfenbeinturm. 

So long

Der Falke


P.S.: Wir schreiben über uns selbst, dass wir frei von Dogmen sind. Vielleicht kann unsere Haltung zur Singularität der NS-Verbrechen als "dogmatisch" interpretiert werden. Aber für uns ist das kein Dogma. Sondern eine beweisbare Tatsache. Dogmen sind "ex cathedra" verkündet...WEIL sie nicht beweisbar sind.

Mittwoch, 7. September 2011

Es langt

Volksverhetzung auf PI

Ja Servus,

selbst zu Stefan Herre dürfte es inzwischen vorgedrungen sein, dass der Aufruf zum bewaffneten Widerstand (auf Verlinkung wird bewusst verzichtet) durch den unsäglichen "Michael Mannheimer" den Straftatbestand der Volksverhetzung § 130 StGB erfüllt. Entsprechende Anzeigen sind bei der Staatsanwaltschaft Heilbronn bereits eingegangen. 

Mannheimer legt in seinem Blog noch nach, schon vor einigen Tagen. Und als wenn das schon nicht genug wäre, publiziert der verwirrte "kewil" via PI heute  einen Link auf dieses Nachlegen. 

Klick für Originalgrösse

Darüberhinaus wird nochmals auf den unglaublich dreisten Internet-Pranger "Nürnberg 2.0" mit seiner verräterischen Wortwahl ("...Wir werden die Namen der Verräter [sic!] erfassen...") hingewiesen (wiederum bewusster Verzicht auf Verlinkung), was an sich auch schon eine Holocaust-Relativierung darstellt.
Kann aber auch ein gutes Zeichen sein: offenbar verstehen diese Wirrköpfe nicht, warum keiner auf sie hört.

Also, Herr Herre: 
Sie reagieren, wenn DOS-Attacken PI lahmlegen (und schreiben dabei an den "lieben kewil!"). 
- Sie reagieren, wenn Spassvögel so tun, als wollten sie eine neue PI-Aussenstelle aufmachen.

Beides, NACHDEM Sie offiziell die Leitung des Blogs "an einen Unbekannten" abgegeben haben (machen wir auch immer: unseren Blog an Unbekannte abgeben!). Dass Sie mit der Leitung des Blogs nichts mehr zu tun haben, das können Sie Ihrer Mutter erzählen. Wenn die noch mit Ihnen redet.
Denn: das ist Beihilfe zur Volksverhetzung.

Und SIE wollen ein Demokrat sein? Damit, und mit anderen Artikeln, wie die gegen Schwarze und für "...unser weisses Amerika...", wo sich darum gesorgt wird, dass "...zuwenig weisse Kinder..." geboren werden, überholen Sie die NPD in der Steilkurve ganz rechts aussen. Udo Pastörs ist ein Waisenknabe gegen Sie.

Und der kämpft mit offenem Visier: denn der gibt wenigstens zu, dass er Rassist ist.

So long

Der Falke




Montag, 5. September 2011

Die rechte Schere steht offen


Warum wählt rechts nicht rechts? Ein flüchtiger Erklärungsversuch.


Ja Servus,

bezugnehmend auf die Wahlergebnisse von Mecklenburg-Vorpommern und den Artikel der Süddeutschen Zeitung
Warum reüssieren die Neu-Rechten Parteien nicht, wenn doch das Potential in der Gesellschaft vorhanden ist? Wo kommt diese Schere her?

Das Potential ist da: Sarrazins Erfolg kommt trotz seiner biologistischen Bezüge aus der Mitte der Gesellschaft. Rassistisches oder zumindest fremdenfeindliches Gedankengut gibt es in allen Parteien: 

- sei es der Ex-CSU-Ministerialdirigent, der in einem Gutachten für seine Burschenschaftler den "Ariernachweis" fordert,
- sei es der Rassismusvorwurf an den Vorstand der Hermsdorfer FDP,
- sei es der hessische CDU-Abgeordnete, der von den Juden als "Tätervolk" sprach,
- oder auch das SPD-Mitglied Sarrazin selbst, das sich beim NS-Chefrassisten bedient, und sich trotzdem als Sozialdemokrat sieht.

Zur NPD müssen wir gar nicht hinsehen, die sind ja offen rassistisch (siehe Pastörs zu Gysi). Das macht sie berechenbar, und damit weitaus ungefährlicher, als sie oft aussehen. Natürlich ist es ärgerlich, dass sie noch vom Steuerzahler alimentiert werden...aber die Anti-Islamdebatte haben sie komplett verpasst, und waren  da immer nur Trittbrettfahrer. Das zeigt, dass sie keinerlei Akzente setzen können. Ihre programmatische Arbeit ist von der gleichen Qualität wie ihre parlamentarische Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern. 

Aber die anderen, die in unserer Mitte, tragen die Maske der Demokraten, und sind in unseren Augen dadurch weitaus gefährlicher. Denn die wir heute noch als verkleidete Rassisten sehen, feiern wir morgen vielleicht schon als "Tabubrecher" und "Kämpfer gegen Denkverbote". Beides Worte, mit denen man Sarrazin schon betitelt hat, seit sein Buch erschien.

"Ich fürchte mich nicht vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, 
sondern vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten“ 
(wird Adorno zugeschrieben)

Sicher tragen die Schutzmechanismen gegen Populisten, die in der Verfassung verankert sind, dazu bei, dass bei den Neu-Rechten der zählbare Erfolg erstmal ausbleibt. Die gleichen Mechanismen übrigens, die in der Vergangenheit schon so oft als überflüssig angesehen wurden.

Dazu kommt auch die angesprochene Scheu, als "rechtsextrem" entlarvt zu werden. Daher ist es ja so wichtig, dass man genau hinschaut und hinhört, wer da an der Spitze der Parteien steht, wo er herkommt und was er sagt. Denn da lässt sich oft vieles nachweisen - man muss nur hinhören. Und genau da sehen wir unsere Aufgabe: wir glauben eben nicht, dass jemand ein "Demokrat" ist, der Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit oder ihrer Herkunft einstuft. Und nicht nach dem, was sie denken, sagen oder tun. 

Daher ja die Strategie der Neu-Rechten, eine Art "Kulturrassismus" zu etablieren, der auf den ersten Blick ohne völkische Komponente auskommt. Das Schlagwort vom "Ethnopluralismus", das wir gern mit "Ausländer raus für Gebildete" übersetzen. 

Denn da zeigt sich eine tiefgreifende gesellschaftliche Veränderung:
Eine neue Elite ist herangewachsen, die die 68er-Ideale ("Links") kritischer sieht oder sogar ablehnt: der konservative "Roll-back" der "Neuen Bürgerlichen", der sich aber nicht so recht Bahn brechen kann...weil längst nicht mehr alle Konservativen automatisch Union wählen. 
Denn auch der Grüne Kretschmann, ein Katholik,  und viele seiner Wähler bezeichnen sich als "konservativ": der Spaltung des "sozialen Lagers" wg. "Agenda 2010" folgt nun die Aufweichung des "konservativen Lagers". Das erzeugt bei den Verbleibenden Unsicherheit. Und Angst.

Dazu kommen die Zukunftsängste und das Bewusstsein, dass nichts mehr so ist wie früher: die Karriere von Vati, der 45 Jahre bei der gleichen Firma war, ist Geschichte. Heute ist "Generation Projekt" und "Generation Praktikum": die Schattenseiten der Globalisierung. 

Dann ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zur Ablehnung alles Neuen ("Europa") und Fremden ("Islam"). Und dann sind die drei Feindbilder komplett: "Links", "Islam" und "Europa".
"Wehe uns, wenn eines Tages die Moscheen brennen......dann wills wieder keiner gewesen sein."  Hagen Rether, am 29.12.2007(!)

So long

Der Falke


Sonntag, 4. September 2011

"DIE FREIHEIT" in der Tradition von Stauffenberg...

...alles klar. Und Superman nimmt ab heute den Bus.

Ja Servus,

was mussten wir denn da bei heise lesen?

Angesichts des gross angekündigten und dann schwach durchgeführten "Anti-Islamisierungskongresses" in Berlin, zu dem auch Geert Wilders anreiste, verkündete Réné Stadtkewitz, Bundesvorsitzender der Partei "DIE FREIHEIT", dass er und seine Mannen sich in der Tradition der Attentäter um Claus Graf Schenk von Stauffenberg sehen. 


Claus Graf Schenk von Stauffenberg, 1907 - 1944

Das ist aus mehreren Gründen derart ungeheuerlich, dass wir darauf eingehen müssen.

Zunächst sei darauf hingewiesen, dass Stauffenbergs Rolle im NS-Staat und auch persönlich weiterhin nicht unumstritten ist. 

Die Stauffenberg-Brüder gehörten in ihrer Jugend  zum elitären"Jüngerkreis" von Stefan George, wo man Gefallen fand an platonischer homosexueller Pädophilie. Man streifte durch die Stadt auf der Jagd nach Knaben, und wenn man "einen rechten Süssen" gefunden hatte, wurde er stolz dem Meister präsentiert. Ausserdem pflegte man den Gedanken an Georges Gedanken eines elitären "geheimen Deutschlands", einer geistigen Elite, welche sich am Hochmittelalter orientierte. 


Der Dichter Stefan George, 1868 - 1933

Zu Beginn der NS-Zeit war Stauffenberg wie viele seiner Mitverschwörer ein Hitler - Verehrer, und ein offener Revisionist. Diese revisionistische Haltung war in Deutschland allerdings sehr verbreitet, was vor allem auf die Bedingungen des Versailler Vertrages zurückgeführt wird.
Stauffenbergs Haltung Hitler gegenüber änderte sich zwar auch wegen des verbrecherischen Charakters des NS-Regimes, aber nicht zuletzt angesichts der drohenden militärischen Niederlage.

Was sich nicht änderte, war Stauffenbergs glühender Nationalismus. Noch bei seiner Hinrichtung deuten seine mutmasslich letzten Worte vom "geheiligten Deutschland" oder "geheimen Deutschland", je nach Quelle, deutlichst darauf hin.
Für seine historische Einordnung ebenfalls bedeutend ist der von Stauffenberg mitverfasste Eid, den sich die Widerständler schworen. Darin ist davon die Rede, dass das Deutsche Volk aus der "...Verschmelzung hellenischer und christlicher [nicht jüdischer, sic!] Ursprünge in germanischem Wesen das abendländische Menschentum..." geschaffen habe. Ausserdem fordert man die "...Anerkennung der naturgegebenen Ränge...", womit vermutlich der Adel gemeint ist, und verachtet die "...Gleichheitslüge...".

Wer so etwas schreibt, ist kein Demokrat, das klingt schon fast nach Wilders'schem Kulturrassismus. Damit wäre ein Bezug von "DIE FREIHEIT" zu Stauffenberg noch am ehesten erklärbar.

Der britische Historiker Richard J. Evans nennt Stauffenberg sogar explizit einen "Anti-Demokraten", und erklärt, er tauge nicht zum Vorbild. 
Nun, auch das muss man einordnen: Stauffenberg war Militär, und kein Staatsmann. Man darf da nicht zuviel erwarten. 

Wer jetzt aber glaubt, wir würden die Taten der Verschwörer des 20. Juli 1944 herabwürdigen, der täuscht sich. Wir demontieren Stauffenberg nicht, ganz im Gegenteil: für Leute wie Stauffenberg, von Tresckow oder Beck muss der Entschluss, gegen Eid und Erziehung ein Attentat auf das Staatsoberhaupt zu verüben, weitaus schwieriger gewesen sein, als es das etwa für einen kommunistischen Attentäter gewesen wäre. Stauffenbergs Dilemma, sich zwischen dem Verrat seines Eides und dem Verrat an seinem Gewissen entscheiden zu müssen, ist hinreichend bekannt. Er hatte die Wahl zwischen Pest und Cholera. Daher gebührt den Verschwörern des 20. Juli 1944 höchste Anerkennung.

Und nun kommt Stadtkewitz daher, und sieht sich in Stauffenbergs Tradition. Das kann ja wohl nicht wahr sein, und wirft eine Menge Fragen auf.
- Gegen wen wollen der biedere Stadtkewitz und sein esoterisch beseelter Stellvertreter Marc Doll denn putschen, wie Stauffenberg es tat? Gegen Angela Merkel wegen ihrer Europa-Politik, die Islamophobiker ja so gern "linksgrün" oder auch "linksfaschistisch" nennen? Ist Angela Merkel für Stadtkewitz etwa das, was Hitler für Stauffenberg war? Oder wie ist das sonst zu verstehen?
- Oder wollen sie was gegen "Deutschlands politische Elite" unternehmen, die "den Islamisierungsprozess verstärkt", wie Herr Stadtkewitz sich in seiner Rede auszudrücken pflegt? Und wie wollen sie ihre Opfer als "politische Elite" erkennen? Machen sie das vielleicht mit der Definition der Roten Khmer, die einfach alle erschossen, die eine Brille trugen?
- Wollen sie wie Stauffenberg eine Bombe verwenden? Oder wie der Osloer Attentäter Schnellfeuergewehre?  
- Haben sie wie Stauffenberg den Eid geschworen, der "das deutsche Volk" als Wurzel der abendländischen Kultur "in germanischem Wesen" sieht? 
- Wen wollen sie denn noch vereinnahmen? Den unsäglichen fundamental-evangelikalen Prophetenjünger "Michael Mannheimer" etwa, der AUCH schon mal zum bewaffneten Widerstand gegen die Regierung aufgerufen hat? Und der von seinem Aufruf bislang kein Wort zurücknahm? 
- Auf Sarrazin berufen sie sich auch? Der aber gegen die Verwendung seines Namens auf Wahlplakaten klagte, der in seinem Buch sinngleich Absätze des NS-"Chefrassisten" Hans F. K. Günther übernahm, und sich dadurch als Rassist outete? Und dessen biologistischen Ansatz Stadtkewitz im Januar 2011 in einer Rede in Düsseldorf übernahm? 
- Warum machen sie sich eigentlich die Arbeit, den "Werterelativismus" zu bemühen? Die Mühe, auf das "Ausländer raus" für Gebildete, den sog. "Ethnopluralismus", abzuzielen? Wenn doch so schon klar ethno-rassistische Aussagen getroffen werden, so dass es des augenscheinlichen "Kulturrassismus" eines Geert Wilders gar nicht bedarf? 
- Und warum nimmt man für die Wahnsinnstaten einiger tausend durchgeknallter hirnamputierter Selbstmordattentäter den gesamten Koran in Sippenhaft, weigert sich aber, den Zusammenhang eigener Tiraden mit dem Pamphlet des Osloer Attentäters anzuerkennen? Und das auch noch am 3. September 2011, und damit nach dem unfassbaren Attentat?
So long

Ein fassungsloser Falke